Erwachen eines Druiden

Auch Midhir wachte früh auf, war jedoch besser gelaunt als am ersten Tag der gemeinsamen Reise. Vergnügt besah er sich die Fallen, die er am Abend zuvor ausgelegt hatte. Eine Falle war leer, jedoch hatte sich darin zwischenzeitig etwas darin verfangen, war jedoch wieder freigekommen. Die nächsten Fallen waren leer, aber auch ohne, dass etwas in der Nähe der Falle gewesen war. In einer Falle saß ein kleines rotes Eichhörnchen. Da aber an ihm kaum etwas dran war, ließ Midhir es gleich wieder laufen. In der vorletzten Falle saß ein kleines Federvieh in der Größe eines Hühnchens. Ein vorfreudiges Grinsen machte sich auf Midhirs Gesicht breit. Er befreite das Tier, hielt es jedoch Kopfüber und es verfiel in eine Schockstarre. Die letzte Falle war wiederum leer. Er schaute sich nach Parthalán um und fand ihn in der Nähe des Flusses stehen. "Hej! Wenn du es fängst, bevor es umkippt, kriegst du die Hälfte ab!", rief Midhir zu seinem Reisegefährten hinüber, brach dem Tier mit einer kurzen Bewegung das Genick und zog dabei den Kopf ab. Ohne Kopf warf er nun das Tier in die Höhe, das in den letzten Zuckungen der Muskeln flatterte, mit den Füßen aufsetzte und anfing zu laufen. Zuerst steuerte es auf Parthalán zu, bevor es einen kleinen Haken schlug und flussaufwärts lief.

Parthalán ließ das Tier an sich vorbeilaufen und hob es erst auf, als es umgefallen war. "Ich spiele nicht mit Essen und ergötze mich nicht am Tod von Tieren.", sagte er gereizt. "Auch ein Tier hat verdient, respektiert zu werden, auch wenn man es als Nahrung braucht!" Er gab Midhir das Tier und setzte sich dann, die Füße im Wasser, an den Bach.

Midhir fing nun vergnügt an, das Tier zuzubereiten. Er kannte das Spiel des Laufenden Federviehs noch aus seiner Kindheit und es war für ihn normal, genauso wie die Zuckungen des Vogels. "Sieh es als eine Art Prüfung an, die du bestanden hast.", meinte Midhir seelenruhig vom Kochfeuer aus. "Bevor ich das Tier getötet habe, habe ich mich mit ihm unterhalten und zu Terra gesprochen. Schlimm wäre es gewesen, wenn ich dem Vogel den letzten Wunsch verwehrt hätte, die Flügel und Beine gebrochen, damit es nicht versuchen kann, wegzulaufen."

Parthalán antworte nicht, sondern setzte sich nun zu Midhir. "Ich glaube, wir sollten Mithraspera verlassen und die Mittellande aufsuchen.", sagte er. "Irgendwie zieht es mich dorthin."

"In den Mittellanden war ich selbst noch nicht.", meinte Midhir. "Bis zum Meer ist es nochmal mindestens ne Woche und die Überfahrt wird nicht kostenlos sein.", gab Midhir zu bedenken.

"Wir können Dörrfleisch verkaufen. Müssten nur an ein Rind oder sowas herankommen...", antwortete Parthalán. "Wild ginge auch. Dann brauchen wir etwas zum marinieren, Knoblauch, Salz und etwas Öl wären die einfachste Variante."

"Wild wäre einfacher. Bauern werden sehr böse, wenn eine Kuh fehlt.", meinte Midhir augenzwinkernd, "Die anderen Sachen sind am einfachsten im Dorf zu erhalten. Wir sollten also spätestens gegen Mittag aufbrechen." Midhir briet währenddessen weiter das Federvieh an einem improvisierten Spieß.

"Die Frage ist nur, wie bezahlen? Ich habe kein Geld bei mir.", sagte Parthalan. "Und ich bezweifle, dass ich mit Brennnessel und Bärlauch bezahlen kann. Zumindest bei dem, was wir brauchen. Oder wir verkaufen Wildfleisch...." er griff nach einem stabil aussehenden Ast, der abgebrochen war und begann,einen Speer zu schnitzen.

Midhir griff wortlos in eine Tasche und zog 3 Kupfermünzen sowie einen Silberling hervor. "Das sollte für die Zutaten neben dem Fleisch sicher reichen.", meinte er, "Das Fleisch holen wir selber. Aber erst, wenn wir die anderen Zutaten haben. Außerdem hab ich ein paar Hasenfelle dabei und getrocknete Kräuter, wobei ich die Kräuter nur ungern eintauschen würde. Die Felle und ein wenig von dem Geld sollte reichen."

Der Speer nahm langsam Gestalt an und lag gut in der Hand. "Dann steht dem ja nichts mehr im Weg.", meinte er und begann, die Spitz des Speeres im Feuer zu härten.

"Doch", meinte Midhir, "mein Frühstück." Er prüfte, ob der Vogel schon gut war, aber er brauchte noch ein paar wenige Augenblicke.

"Das hängt am Spieß.", sagte er und lachte kurz.


Einige Stunden später folgten die beiden noch immer dem Bachlauf. In der Weite waren einige Häuser zu erkennen und es schien eine Straße zu geben, die durch das Dorf führte und dann nach Osten führte. "Ich welche Richtung liegt eigentlich das Meer?", fragte Parthalán nach einer Weile.

Midhir antwortete: "In östlicher Richtung. Der Wind kommt gerade aus Osten und trägt etwas Salz mit sich. Wir werden also der Straße folgen, auch wenn wir nicht auf der Straße gehen."

Als sie das Dorf erreichten, erreichte die Sonne gerade ihren Höchststand und die Bewohner waren vor oder in den Häusern mit dem Kochen beschäftigt. Vor einem etwas größeren Haus in der Mitte des Dorfes stand ein Handelsstand mit einigen Fläschchen, Kräuterbündeln und Gewürzbeutelchen. Parthalán ging darauf zu und sah sich die Waren an. Der Händler schien ihn zu ignorieren, also wandte er sich an Midhir. "Öl und einige Gewürze und Kräuter, alles, was wir brauchen!", sagte er.

Midhir ignorierte Parthalán auch und wandte sich direkt dem Händler zu: "Guten Tag, der Herr.", meinte er mit leichtem Akzent.

Der Händler blickte kurz von seiner Schnitzarbeit hoch, musterte Midhir und senkte den Blick wieder. "Bettler bekommen nichts von mir, zieht weiter.", brummte er. Parthalán sah sich den Mann näher an und bemerkte, dass dieser barfuß lief und, dafür, dass er zum Teil gute Waren hatte, relativ ärmlich gekleidet war. Die Hose war an einigen Stellen löchrig und die Tunika ihm längst zu klein. "Das Geschäft scheint schlecht zu laufen.", merkte er an. "Seit längerem." Der Händler blickte noch einmal hoch. "Was geht dich das an?", raunte er. "Ist eben nur ein kleines Dorf abseits von allem." Parthalán schaute sich die Waren an. Einige der Gewürze hatte er noch nie gesehen und auf einem Stapel lag sauber verarbeitetes Leder, obwohl es weit und breit keine Gerberei gab. Auch fiel im auf, dass unter einem Haufen Stoffe einige Münzen und unter der Tunikas ein Dolch hervorlugte, an dessen Knauf ein kleiner Rest eingetrocknetes Blut klebte.

Parthalán zog Midhir etwas vom Stand weg und flüsterte ihm ins Ohr: "Er ist nicht der richtige Händler." Er beschrieb seine Beobachtungen und lies den Blick schweifen. "Außerdem scheinen die Dorfbewohner den Blickkontakt und den Umgang mit dem Händler zu meiden."

"Ich könnte ihn bewusstlos machen, ihn fesseln und foltern.", meinte Midhir halb im Scherz. Ernster fügte er hinzu: "Hör dich bei den Leuten einfach mal um. Vielleicht wissen die, was genau hier los ist. Ich werd mich auch unter die leute mischen, aber den angeblichen Händler im Auge behalten. Sollte er Stunk machen, werd ich ihm zwischen die Hörner hauen."

Wortlos drehte Parthalán sich um und ging zu einem Haus, dass er für de Schenke hielt. Davor saß ein altes Weib, dessen blinde Augen starr auf den Horizont gerichtet war. Als er näher trat, sagte sie: "Näherst sich da etwa ein Druida? Soetwas habe ich schon lange nicht mehr gespürt!", gackerte sie. Verwirrt blieb Parthalán stehen. "Ein was?", fragte er. Sie richtete ihre Augen den jungen Mann. "Ein Druida, ein Druide! Oder ein Zauberer des Alten Weges?", erklärte sie. "Deine Aura ist so grün wie der Wald und dein Geist klingt im Takt des Windes." Immer noch verwirrt kam er nicht umhin, als offen zu sprechen: "Ich folge seit wenigen Tagen dem Weg der Elemente, aber ich bin weder Zauberer noch Druide. Aber was meinst du mit Aura und woher willst du das wissen?"

Die Alte hieß Parthalán, sich zu setzen und begann dann mit ihrer Erklärung. "Vor langer Zeit wurden die Druida meiner Heimat als diese geboren und erlernten ihre Fähigkeiten von anderen ihrer Art. Aber die Menschen zweifelten immer mehr und andere Götter mehrten ihren Einfluss. In dieser Zeit ging meine Heimat ihrem Ende entgegen. Ein neuer Glaube verbreitete sich und der Glaube an die Natur verschwand zunehmend. Damit das Wissen nicht verloren ging, gingen die Druida in fremde Länder und durch mächtige Zauber wurde ihr Wissen tief in der Essenz ihrer Nachfahren verborgen. So kommt es, dass in jeder Generation einige wenige mit der Fähigkeiten der Druida geboren werden. Du wirst es auch noch lernen, aber ob du dem Pfad der Kräuter oder der Magie folgst, vermag ich noch nicht zu erahnen." Parthalán war zu perplex, um die Alte zu unterbrechen, doch als sie geendet hatte, fand er seine Sprache wieder. "Wenn das wahr sein sollte, müsstest du tausende von Jahren alt sein. Und von welchem Land sprichst du?", fragte er. Sie hingegen setzte ein mysteriöses Lächeln auf: "Wer sagt, dass ich alt bin?" Ihre Gestalt verjüngte sich und als sie wieder ein junges Mädchen war, verschwand sie einfach. Wo sie saß, war eine Triskele in die Holzbank geritzt.



Midhir spührte kurz eine weibliche, alterslose Präsenz.

Als Midhir die Präsenz spürte, unterhielt er sich gerade mit einem Dorfbewohner. Im Gespräch erfuhr, dass vor einiger Zeit eine junge Frau aus dem Dorf verschwunden sei, jedoch niemand wisse, wohin. Sie war vom Pilzesammeln nicht wieder zurückgekommen. Midhir sagte dem Mann, dass er gleich wiederkommen werde, aber kurz nach seinem Begleiter schauen müsse, da er ein komisches Gefühl habe. Der Mann sagte, dass er einfach wiederkommen solle, und dass die beiden Wanderer für den Abend eingeladen waren.
Schnell, aber so, dass es nicht auffiel, ging Midhir zu Parthalán. Er wusste, wo er ihn fand. "Was ist denn hier passiert?", wollte Midhir wissen, wobei er sich so hingestellt hatte, dass er den angeblichen Händler wieder aus dem Augenwinkel sehen konnte. Dieser stand immernoch an seinem Stand und sah alles andere als glücklich aus, dort zu stehen.

Parthalán erzählte, was passiert war und dass er nicht wisse, wie er davon denken solle. "Langsam wird mir das unheimlich.", schloss er.

"Mach' es einfach wie in der Armee. Denke nicht.", zog ihn Midhir auf, bevor er hinzufügte: "Die Frau, die du gesehen hast, war kein Element. Vielmehr hast du die Natur gesehen, wie sie sich jedem - aber dabei auch nur sehr wenigen Auserwählten - zeigt: Alt wie die Welt, fruchtbar wie eine junge Frau und verspielt wie ein Kind. Auch wenn es unheimlich klingt: Du musst weitergehen, damit du verstehst. Dein Weg liegt vor dir, aber niemand wird ihn dir aufzeigen können. Ich kann höchstens aufpassen, dass du nicht stehen bleibst."

"Da wirst du wohl Recht haben.", meinte Parthalán. "Aber bevor wir uns um mich kümmern, sollten wir uns vielleicht um unseren Freund dort drüben kümmern!" Er nickte zu dem falsche Händler. "Frag mich nicht woher, aber irgendwoher weiß ich, was ich, was ich tun kann."

Er stand auf und ging zu einem jungen, vielleicht dreizehnjährigen Mädchen, dass Wasser vom Brunnen holte. "Grüß dich, magst du mir vielleicht weiterhelfen?", fragte er freundlich. Es blickte verlegen drein, sagte aber schließlich: "Ich weiß nicht, vielleicht? Ich kene dich nichteinmal!" Parthalán stellte sich vor. "Mein Name ist Parthalán, ich bin Wanderer und möchte handeln, aber der Händler scheint ncith handeln zu wollen." Das Mädchen riss die Augen auf und wurde bleich. "Ich weiß nichts!", sagte das Mädchen und wollte sich abwenden. Parthalán hielt es sanft fest. "Wenn ich dir einen kleinen Trick zeige, sagst du mir dann, was du weißt?" Das Mädchen wurde neugierig und legte den Kopf schief. "Was für einen Trick?", fragte es schließlich. Parthalán sah sich um und erblickte eine Amsel auf einem Dachfirst. Er murmelte ein paar Worte und pfiff dann. Ein Leuchten ging nun von seinen Händen aus. Der Vogel entfaltete seine Flügel, schwang sich in die Luft und landete nach ein paar Kreisen auf Parthaláns Hand. Das Mädchen guckte verwundert, setzte dann aber ein Lächeln auf. Parthalán aber war noch nicht fertig und flüsterte dem Tier etwas zu, welcher sich sogleich noch einmal in die Luft schwang und dieses Mal auf dem Kopf des Mädchens landete. Dieses lachte nun und streichelte das Tier. "Also gut.", sagte es. "Mein Name ist Rosa. Der Mann ist erst vor kurzem hier und hat behauptet, den alten Tomma, den echten Händler, hier abzulösen, da dieser in den Norden ging. Lette Woche aber haben wir eine Leiche im Wald gefunden. Wir glauben, dass es Tomma war." Rosa blickt zum Handelstand herüber und dann wieder zu Parthalán. "Verrate mich nicht!", sagte sie und ging in Richtung eines kleinen Haus. Der Vogel ließ sich noch einige Meter tragen und flog dann zum Dachfirst des Hauses zurück.

Parthalán setzte sich wieder zu Midhir und erzählte ihm ,was er erfahren hatte.

Midhir hörte höflich zu, aber war nicht mit dem gleichen Herzblut dabei wie Parthalán. Als dieser mit seiner Schilderung geendet hatte, fragte Midhir, was Parthalán nun tun wolle.

Parthalán zuckte mit den Schultern. "Wir können nicht viel tun.", meinte er. "Aber ich denke, wenn wir den Dörflern helfen, werden auch sie uns helfen. Aber töten will ich ihn auch nicht. Kann man ihn nicht vergessen lassen, wer er ist und ihn wegschicken?"

"Wenn ich ein Zauberer wäre, könnte ich das machen, ohne ihm weh zu tun.", meinte Midhir, "Aber es gibt ja auch die möhlichkeit, ihn alles vergessen zu lassen, ohne ein Wort sagen zu müssen. Dabei macht man aber schnell mehr kaputt als man möchte und es klappt nicht immer." Während dessen deutete er auf einen aufm Boden liegenden Stein.

Parthalán schüttelte den Kopf. "Wenn wir Gewalt anwenden, sind wir nicht besser als er.", sagte er. "Als ich noch der Wache diente, haben wir oftmals Männer festgenommen, die gemordet hatten. Die einen aus Rache und die anderen aus Gier. Es macht keinen Unterschied. Wir können nicht mit Gewalt richten, ohne uns selbst schuldig zu machen."

"Ich habe nur einen Weg aufgezeigt, seine Erinnerung zu löschen, ohne ihn selbst zwingend auszulöschen. Ich bin halt kein Zauberer.", meinte Midhir leicht amüsiert, "Es ist dein Weg, auf dem ich dich ein Stück begleiten werde. Du musst wissen, was zu machen ist. Übrigens sind wir eingeladen, heute Nacht bei einem der Dörfler unter zu kommen. Die Frau, die im Fluss lag, kam aus diesem Dorf."

"Immerhin eine gute Nachricht.", meinte Parthalán. "Vielleicht fällt uns dann ja noch etwa ein." Er lehnte sich an die Hauswand und beobachtete die Wolken. Bald würde es den ersten Schnee geben...

"Ich habe aber nicht gesagt, dass wir die Frau gefunden haben. In dem Moment als wir darauf zu sprechen kamen, habe ich die Anwesenheit der Natur gespürt und bin erstmal sehen, ws du so treibst", eröffnete Midhir. In Hinsicht auf den Umstand, dass es langsam begann zu Dämmern, schlug er vor, zu dem Haus zu gehen, vor dem der Mann saß, mit dem Midhir sich unterhalten hatte. Der Mann war bereits in leicht fortgeschrittenen Alter strahlte eine Ruhe aus, die
Dieser grüßte freundlich, als er Midhir sah und amüsiert meinte: "Was mir vorhin aufgefallen ist: Wir haben uns gar nicht einander vorgestellt. Mein Name ist Skkylar, Sohn von Godric dem Jäger. Mit wem hab ich das Vergnügen?"
"Mein Name ist Midhir, großgezogen von Dubh-Dair.", stellte Midhir sich vor. Er überließ es Parthalán, sich vorzustellen.

"Ich bin Parthalán, Sohn von Thalean.", stellte Midhir sich vor.